Allein beim Klimaschutz gibt es viel zu tun. Die Platform on Sustainable Finance bezifferte den Anteil von KMU am CO2-Ausstoß von Unternehmen in der EU in ihrer jüngst veröffentlichen Publikation zum Mittelstand auf über 63 Prozent. Und die KfW stellte zuletzt für Unternehmen in Deutschland eine Lücke bei Klimainvestitionen von mindestens 35 Milliarden Euro fest. Dabei halten sich hierbei vor allem KMU zurück. Hinzukommen Investitionsbedarfe in weiteren Bereichen, etwa dem Umweltschutz, der Digitalisierung oder der Qualifizierung von Fachkräften.
Diskussionen zwischen Finanz- und Realwirtschaft sowie Wissenschaft
Vor dem Hintergrund dieser Gemengelage, in der außerdem die aktuellen Debatten um die Umsetzung der Sustainable-Finance-Regulierung hineinspielen, tauschten sich am 26. März im Schader-Forum in Darmstadt knapp 40 Teilnehmende zu Hürden, Chancen, Herausforderungen, Bedarfen und möglichen Maßnahmen zur Finanzierung der nachhaltigen Transformation von KMU aus. An der sehr lebendigen und mitunter auch kontroversen Diskussion beteiligten sich Vertreter und Vertreterinnen aus Finanz- und Realwirtschaft sowie der Wissenschaft.
Nach einführenden Worten von Robert Langer von der Schader-Stiftung und Gesa Vögele vom Fair Finance Institute leitete Prof. Dr. Ulrich Klüh von der Hochschule Darmstadt aus wissenschaftlicher Perspektive in das Thema ein. Unter anderem stellte er einen Überblick der Zwischen-Ergebnisse des BMBF-Forschungsprojekts ClimFiSoc – Klimafinanzierung in der mittelständischen Industrie vor. Daran schloss Daniel Bauer von der IHK Darmstadt Rhein Main Neckar einen Praxiseinblick an. Aida Jukas von der GLS-Bank zeigte unter anderem auf, wie ein Kreditinstitut gemeinsamen mit Firmenkund*innen Zukunftsbilder für verschiedene Branchen entwickeln kann.
Regulierung, nachhaltige Geschäftsmodelle, Förderung und öffentliche Unternehmen
In parallelen Dialogrunden ging es danach um folgende Schwerpunktthemen: Regulierung und Standards, Förderung, nachhaltige Geschäftsmodelle und öffentliche Unternehmen. Unter anderem gewährte Prof. Dr. Jan Greitens von der Westfälischen Hochschule Einblicke in eine Studie zum Zugang zu nachhaltigen Finanzierungen für KMU in Europa, stellte Prof. Dr. Florian Lüdeke-Freund von der ESCP Business School Kernergebnisse der Analyse Wertschöpfung im 21. Jahrhundert. Geschäftsmodelle für die Transformation vor, diskutierte Prof. Dr. Klaus-Michael Ahrend von der HEAG Holding AG Maßnahmen zur Finanzierung öffentlicher Unternehmen und gab Alexandra Böhne von der Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen Einblicke in die Möglichkeiten des Hessenfonds.
Die anschließende Diskussion führte die Stränge zusammen und offenbarte die Komplexität des Themas. Unter anderem folgende Aspekte wurden deutlich:
- Nachhaltigkeit ist bei vielen KMU – unter anderem als Reaktion auf regulatorische Anforderungen – mittlerweile zum Reizwort geworden. Wer das Gespräch sucht, wird jedoch finden, dass es eine große Akzeptanz der Ziele des EU-Green-Deal gibt.
- Es ist wichtig, Sustainable Finance und Climate Finance aus der Perspektive regionaler Akteure anzugehen. Sustainable-Finance-Hubs vor Ort könnten eine sinnvolle Maßnahme sein. Gleichzeitig bedarf es gerade beim Klimaschutz eines globalen Ansatzes.
- Investitionen in den Klimaschutz und andere Nachhaltigkeitsbereiche werden häufig als teuer oder sogar unrentabel angesehen. Dabei werden jedoch die Kosten der Inaktivität meist nicht einkalkuliert.
- Es braucht einen Prozess der gemeinsamen Kompetenzentwicklung von KMU und Finanzwirtschaft, um die Finanzierung der Transformation voranbringen zu können. Das dialogische Entwickeln von branchenspezifischen Zukunftsbildern könnte ein Weg sein.
- Digitale Lösungen bieten gerade auch für KMU ein großes Potenzial, Daten zu erheben, zu verarbeiten und diese der Finanzwirtschaft zur Verfügung stellen zu können. Zugleich müssen Investitionen stärker langfristig ausgerichtet werden, um den häufig zeitintensiven Aufbau von Geschäftsmodellen oder deren Transformation zu ermöglichen.
- Der Voluntary Sustainability Reporting Standard for Non-Listed SMEs (VSME) der EU ist geeignet, KMU die Nachhaltigkeits-Berichterstattung zu erleichtern und Transparenz von KMU im Bereich Nachhaltigkeit zu stärken.
In den Dialogrunden und der abschließenden Fish-Bowl-Diskussion klangen konkrete Lösungsoptionen, etwa in den Bereichen Finanzierungsinstrumente oder Förderung, genauso an wie grundsätzliche Aspekte. So flossen auch Reflektionen zum Wirtschaftssystem in den Austausch ein. Zudem wurde die grundsätzliche Überlegung geäußert, Sustainable Finance nicht nur um Public Finance zu erweitern, sondern darüber hinaus um Fragestellungen zur Umverteilung von Vermögen und zu Finanzflüssen vom globalen Norden in den globalen Süden.
Die Veranstaltung richtete das Fair Finance Institute gemeinsam mit der Schader-Stiftung und dem Zentrum für nachhaltige Wirtschafts- und Unternehmenspolitik (ZNWU) der Hochschule Darmstadt aus. Sie fand im Rahmen der von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Darmstädter Tage der Transformation (DTdT) statt. Von Seiten des Fair Finance Institutes organisierte Gesa Vögele die Veranstaltung. Walter Kern, ebenfalls vom Fair Finance Institute, moderierte die Dialogrunde zu Standards und Regulierung.
Wir bedanken uns sehr herzlich bei der Schader-Stiftung, und hier insbesondere bei Benjamin Stehl, und beim ZNWU, hier insbesondere bei Prof. Dr. Ulrich Klüh, für die hervorragende Kooperation und die Möglichkeit, dieses Dialogforum gemeinsam organisiert und im Schader-Forum ausgerichtet haben zu dürfen.
Das Programm des Dialogforums findet sich hier.
Die Präsentationen
- Präsentation von Prof. Dr. Jan Greitens (Westfälische Hochschule)
- Präsentation von Aida Jukas (GLS-Bank)
Weitere Präsentation werden ergänzt, sofern und sobald sie dafür freigegeben werden.
Weiterführende Informationen
- EFRAG Voluntary Sustainability Reporting Standard for Non-Listed SMEs (VSME)
- ESCP Business School und Bertelsmann-Stiftung: Wertschöpfung für das 21. Jahrhundert. Geschäftsmodelle in der Transformation
- EU Platform on Sustainable Finance: Streamlining Sustainable Finance for SMEs
- Eurochambers, DIHK, SME United: Sustainable Finance im Mittelstand. Ein europäischer Überblick über den Zugang zu nachhaltigen Finanzierungen für kleine und mittlere Unternehmen
- KfW-Klimabarometer 2024. Schwache Konjunktur dämpft Klimaschutzinvestitionen des Mittelstands – Großunternehmen sorgen dennoch für realen Zuwachs
- Sustainable-Finance-Beirat der Bundesregierung: Diskussionspapier Transformationsfinanzierung und -förderung im Mittelstand
- Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen: Hessenfonds